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Die Kunst des Kindertheaters

"Kunst bedeutet für mich das Inangriffnehmen des Lebens." Das sagt nicht jemand, dem der Zugang zur "Hochkultur" versagt blieb, ähnlich dem Fuchs, der von den zu sauren Trauben redet, sondern einer, der als Maler und Hochschulprofessor seinen Weg gemacht hat und gesellschaftliche Bedeutung erlangte. Sein Name ist - Adolf Frohner. Dieser Kunstbegriff sieht Kunst als Gestaltung des Lebens und seiner Möglichkeiten. Gestaltung des Lebens und seiner Möglichkeiten, das ist auch die zentrale Aufgabe, die wir, gemeinsam mit den hörgeschädigten Kindern, in Angriff nehmen wollen, wenn wir das Theaterspielen zu einem wichtigen Bereich in deren Leben werden lassen.

Das Leben behinderter Kinder verläuft nicht so ohne weiters auf planbaren Wegen. Es braucht viel Einsatz, um die richtigen Spuren zu eruieren, die schlussendlich auch diese Kinder an das Ziel, einem geglückten Leben, führen können. Daran wollen wir mitarbeiten, den Kindern Möglichkeiten eröffnen. Kunst ist nicht selten eine Antwort auf allgemeine Not. Und ohne Zweifel sind behinderte Menschen in unserer Gesellschaft in einer Notlage.

Von dieser Erkenntnis ausgehend, sagt uns die Logik, dass sich die Kunst näher den Ausgestoßenen befindet, als an der Seite des Normalen. Die Nähe, die Berührungspunkte gilt es zu bemerken und der Welt deutlich zu machen, sie in die "Sprache des Normalen" zu übersetzen, um Zugänge und Ausgänge für alle zu schaffen. Wird von Kunst gesprochen, so denkt man zuerst einmal an die großen Werke der Malerei, der Architektur, der Literatur oder der Musik. Aber diese berühmten Kunstwerke sind als herausragende Ereignisse einer allen Menschen innewohnenden Fähigkeit zu sehen, die nach Ausdruck drängt: der schöpferischen Selbstreflexion, der kreativen und visionären Gestaltung des Lebens in der Gemeinschaft. Große Künstler sind oft Außenseiter, stehen am Rande der Gesellschaft. Und gerade von dieser Position aus haben sie einen anderen Blick auf die Gesellschaft und sie werden von der Gesellschaft anders wahrgenommen. Dieser andere Blick, diese andere Erfahrung kann den Menschen, die drinnen sind, die in Gefahr sind, sich in der Masse aufzulösen, den eigenen Blick schärfen helfen, auf neue Sehgewohnheiten aufmerksam machen.

Allerdings bedürfen diese Fähigkeiten einer gewissen psychischen Konstellation. Der Betroffene darf sich nicht fürchten, sich seiner Position zu stellen, seine Position am Rande zu eruieren. Es darf nicht Angst vorherrschen, mit dem Blick in die Tiefe die Balance zu verlieren, schwindlig zu werden. Kunst ist eine Möglichkeit, schwindelfrei zu werden. Hörgeschädigte Kinder tummeln sich auch meist am Rande der Gesellschaft, sind zumindest solche, die die Gesellschaft nicht von innen heraus erleben, für die Ränder nicht sichtbar wären. Mit ihnen gemeinsam wollen wir diesen Rand absichern, wollen wir sie dazu befähigen, sicherer an diesem Rand entlang zu balancieren. Der Blick in die Tiefe ist zu ertragen, wenn man schwindelfrei ist und letztendlich spürt, dass man einen festen Boden unter den Füßen hat. In solchen Höhen, an solchen Rändern gestalten wir unser Leben. Und es soll ein authentisches und kreatives Gestalten sein, eines das zur Kunst wird.

Petersen meint: "Kunst heißt, meine gegenwärtige Lebenssituation, so wie ich sie vorfinde, mit meinen Mitteln zu gestalten." Er sagt "mit meinen Mitteln" und das ist für uns ein zentraler Punkt der Arbeit. Wir holen die Kinder von ganz unterschiedlichen Ausgangsniveaus ab. Kann das eine Kind kaum lautsprachlich kommunizieren, so kann das andere schon lesen und ihm steht ein differenzierter Wortschatz zur Verfügung. Ein anderes Kind ist auf Grund artikulatorischer Probleme kaum zu verstehen, ein anderes spricht dagegen "sauber", aber stark dysgrammatisch.

Diese unterschiedlichen Ebenen verlangen nach sehr unterschiedlichen Übungsansätzen und im Endeffekt nach sehr unterschiedlichen Darstellungsformen im Zuge einer Aufführung. Dass dies nicht nur ein hehrer Anspruch sein muss, sondern auch Wirklichkeit werden kann, beweist uns die Aussage einer Mutter nach einer unserer Vorstellungen, in der ihr Kind eine Rolle ohne große Worte gespielt hatte: "Heute habe ich das erste Mal erlebt, dass mein Kind so normal ist wie alle anderen Kinder!" Das Kind spielte seine Rolle, die für das Stück genauso wichtig war, wie alle anderen Rollen. Sie war so konzipiert, das der Bub mit seinen Fähigkeiten diese Rolle voll ausfüllen konnte. Er spielt keine kleine oder unwichtige Rolle, er spielte die notwendige Rolle für das Stück in einer ausgezeichneten Weise. Dieser Anspruch, den Kindern die Möglichkeit zu geben, mit ihren Mitteln das Leben zu gestalten, wird zum Anspruch an die Regie. Es gibt kein vorgefertigtes Stück, keine Rollen, die einfach besetzt werden können, sondern das Stück entwickelt sich aus den Fähigkeiten der Kinder und wächst mit deren Möglichkeiten. Und hier sehen wir die Notwendigkeit, professionelle Künstler an die Arbeit zu lassen. Sie scheinen eher den Blick dafür zu haben, wie das Unmögliche möglich gemacht werden kann, wie auf einzeln dastehenden Pfeilern ästhetische Brücken gebaut werden können.

viva kindertheater
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